Magazin handeln 1/2021

«Das Gefühl einer gewissen Normalität ist zurück»

Das Programm «Brückenbauer:innen» der HEKS-Geschäftsstelle beider Basel setzt auf persönliche Kontakte zwischen interkulturellen Vermittlerinnen und Familien mit Migrationshintergrund. Die COVID-19-Pandemie war deshalb vor allem während der ersten Infektionswelle für alle Beteiligten eine grosse Herausforderung. Ein Gespräch mit der Programmleiterin Irene Zwetsch.

Interview: Dieter Wüthrich
 

Eltern mit Migrationshintergrund und wenig Kenntnissen über unser Bildungssystem verfügen oft nicht über die nötigen Ressourcen und Informationen, um ihre Kinder auf deren Entwicklungsweg bestmöglich begleiten und unterstützen zu können. Die interkulturellen Vermittlerinnen des Programms «Brückenbauer:innen» unterstützen und stärken sie deshalb in ihrer Rolle als Väter und Mütter. Das Programm setzt stark auf die persönliche Begegnung der Beteiligten. In Zeiten von COVID-19 waren Programmleiterin Irene Zwetsch und ihr «Brückenbauer:innen»-Team deshalb stark gefordert, das Beratungsangebot auch «auf Distanz» aufrechterhalten zu können.

HEKS-Projektleiterin Irene Zwetsch
HEKS/Frank Egle

Irene Zwetsch, was waren für Ihre «Brückenbauerinnen» in den letzten Monaten die grössten Herausforderungen im Kontakt mit den MigrantInnenfamilien?

Vor allem während der ersten Welle der Corona-Pandemie, als die Schulen auf Fernunterricht umstellten, wurde vom Erziehungsdepartement und den Lehrpersonen vieles zunächst ausschliesslich auf Deutsch kommuniziert. Vielen Familien fehlten deshalb die notwendigen Informationen, was diese Umstellung für sie und ihre Kinder bedeutet. Dazu kommt, dass einige Familien keinen Computer haben und ihre Kinder somit nicht oder nur zeitweise am digitalen Unterricht teilnehmen konnten. Hier waren die Brückenbauerinnen sehr hilfreich – die Eltern konnten ihnen zum Beispiel Mitteilungen der Schulleitung oder auch Hausaufgaben
per Handy schicken und die interkulturellen Vermittlerinnen erklärten, was sie oder ihre Kinder zu tun hatten. Manche Eltern suchten auch Rat und Unterstützung bei der Gestaltung der familiären Tagesstrukturen und der Freizeit ihrer Kinder.

Wie wurden denn diese Beratungsgespräche durchgeführt?

Hauptsächlich telefonisch, denn viele Familien wollten das Haus nicht verlassen. Hausbesuche waren auch kaum möglich, weil dort die Distanzregeln nicht eingehalten werden konnten. Auch einige Brückenbauerinnen, die zum Beispiel in der eigenen Familie jemanden mit einem erhöhten Risiko haben, hatten gewisse Ängste und Befürchtungen wegen einer möglichen Ansteckung. Persönliche  Begegnungen waren so nur sehr beschränkt und dann auch nur im öffentlichen Raum mit genügend Abstand möglich. Insgesamt haben wir in den letzten Monaten zwischen 20 und 25 Familien durch diese Pandemie begleitet.

Haben sich die Bedürfnisse der Familien bezüglich einer Beratung verändert zwischen der ersten Pandemiewelle
im Frühjahr und der aktuellen zweiten Welle?

Die Familien sind mittlerweile gelassener, aber COVID-19 ist natürlich weiterhin präsent. So ist es immer noch wichtig, dass
die interkulturellen VermittlerInnen die aktuell gültigen Regeln bezüglich Corona und Schulbesuch kennen und die Eltern auch bei diesen Fragen unterstützen können. Eine grosse Entlastung für viele Eltern war die Wiedereröffnung der Schulen. Das brachte ihnen wieder das Gefühl einer gewissen Normalität zurück. Erfreulicherweise sind unterdessen viele Eltern in der digitalen Kommunikation mit der Schule geübt und wissen zum Beispiel, wie sie Übersetzungs-Apps zur Unterstützung ihrer Kinder bei den Hausaufgaben einsetzen können.

Brückenbauerinnen Gundeli (HEKS Nr. 520.027)
Projekt Basel-Stadt
Brückenbauer:innen

Im Rahmen des Programms beraten und begleiten interkulturelle Vermittler:innen Eltern individuell im Umgang mit ihren Kindern im Volksschulalter.