Kautschukplantagen in Liberia und die Verantwortung von Schweizer Unternehmen
Kautschuk ist ein lukratives Produkt: Es ist vielseitig einsetzbar und wird für zahlreiche Produkte wie beispielsweise Reifen, Schuhsohlen, Outdoor-Bekleidung, Wärmeflaschen, Kondome oder Matratzen verwendet. Dementsprechend hat sich die weltweite Nachfrage in den letzten 20 Jahren mehr als verdoppelt. Auch der luxemburgische Socfin-Konzern hat seine Plantagen im westafrikanischen Liberia in den letzten Jahren sukzessive erweitert, um über seine in Freiburg ansässige Tochterfirma Sogescol mehr Naturgummi auf den Weltmarkt zu bringen – mit verheerenden Folgen für die umliegenden Dörfer.
«Als das Unternehmen hierherkam, wurde uns gesagt, dass sich unser Leben verbessern würde. (…). Wir wussten damals nicht, dass [die Plantage] kein Segen sein wird, sondern die Hölle», fasst ein Bauer zusammen. Denn beim Ausbau der Kautschuk-Monokulturen verloren zahlreiche Menschen ihr fruchtbares Agrarland, auf das sie zum Überleben angewiesen sind. Heilige Wälder und Grabstätten wurden zerstört und der Zugang zu Wasser hat sich massiv verschlechtert. Viele Menschen in den Dörfern berichten zudem, dass ihr Wasser durch Pestizide verunreinigt worden ist.
Zwei Dörfer mussten vollständig weichen, weil Bagger die Felder zerstörten und die Menschen von Angestellten des Unternehmens eingeschüchtert wurden. Wo früher Dörfer standen, stehen jetzt Kautschukbäume. «Wenn der Bulldozer kommt, kannst du nicht im Dorf bleiben», erzählt einer der Dorfältesten. Der Bericht kommt zum Schluss, dass auch andernorts traditionelle Landrechte verletzt wurden, in einigen Fällen gar private Landrechte mit schriftlichen Landtitel.
In den Dörfern in und um die Plantagen herrscht ein Klima der Angst. Frauen berichten, sie seien immer wieder sexueller Gewalt durch Subunternehmer und teilweise auch durch Sicherheitsleute der Plantagen ausgesetzt. Besonders gut erinnern sich die Menschen an einen besonders schwerwiegenden Vorfall im Jahr 2013, als Sicherheitsleute der Plantagen und die Polizei das Dorf Daokai angrenzend an das Socfin-Konzessionsgebiet überfallen haben. Sie plünderten gemäss Berichten Häuser, stahlen elektronische Geräte und verprügelten einen Dorfbewohner.
Das tut HEKS
Unterstützung der betroffenen Gemeinschaften
Beschwerde bei der Weltbanktochter IFC
Am 27. Mai 2019 hat die liberianische NGO Green Advocates im Namen von 22 Dorfgemeinschaften eine Beschwerde bei der Weltbanktochter International Finance Corporation (IFC) eingereicht. Die IFC ist bei der Weltbank für die Finanzierung privater Unternehmen zuständig und hatte der liberianischen Socfin-Tochter SRC 2008 einen Kredit von zehn Millionen US-Dollar zum Ausbau ihrer Kautschuk-Plantage gewährt. Green Advocates, Partnerorganisation von Brot für alle, weist in der Beschwerde auf gravierende Menschenrechtsverletzungen im Umfeld der SRC-Plantage hin und verlangt von der IFC, die Vorwürfe zu untersuchen und dafür zu sorgen, dass die Geschädigten zu ihrem Recht kommen.
Die Ombudsstelle des IFC (CAO) hat die Beschwerde im Juni 2019 angenommen und hat die SRC Plantage in Liberia besucht. Wenn beide Parteien einverstanden sind, leitet die Ombudsstelle einen Konfliktlösungsprozess ein. Während die betroffenen Leute einverstanden waren, hat die Plantagenfirma im Frühsommer 2020 den Prozess abgelehnt. Ihre Begründung war, dass die Ombudsstelle ihres eigenen Kreditgebers, der Weltbanktochter IFC, parteiisch sei und sie ihr nicht trauen würde. In der Beschwerde ging es nicht bloss um Verfehlungen von SRC, sondern auch des IFC, der Geld gesprochen hat ohne seine eigenen Standards genügend zu überwachen. Dass diese Plantage jetzt also den Vorwurf erhebt, die Untersuchung ihres Kreditgebers sei auf der Seite der betroffenen Leute und gegen ihren Kunden, ist bemerkenswert.
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Die Ombudsstelle des IFC hat Anfang Oktober ihre Entscheidung bekannt gegeben, eine volle «compliance investigation» durchzuführen. Das heisst, dass sie basierend auf dem «situation report», den ein Team der Ombudsstelle nach einem Besuch vor Ort geschrieben hat, die Situation und die Probleme als so gravierend einschätzen, dass sie sie jetzt intensiv untersuchen. Das ist ein Erfolg für die betroffenen Leute.