Wird infolge des Ukrainekriegs die Hilfe für andere Krisen vernachlässigt?
Der Bundesrat hat vor wenigen Tagen seine Botschaft zum Abbau der coronabedingten Verschuldung verabschiedet. Am 28. März nahm die Finanzkommission des Nationalrats die Beratung der Vorlage auf.
Sollten sich die Forderungen der bürgerlichen politischen Kräfte durchsetzen, die sich seit Jahren für den Abbau der IZA einsetzen, könnte dies Auswirkungen auf das öffentliche Entwicklungsengagement der Schweiz haben.
Zum anderen könnte es bei einem gleichbleibenden Budget für die IZA zu Verschiebungen in den Ausgaben kommen. Damit meine ich, dass Gelder, die neu für die humanitäre Notlage der Ukrainer:innen eingesetzt werden bei der Hilfe in anderen Krisen und bei Vorhaben der Entwicklungszusammenarbeit weggekürzt werden könnten.
Beides ist inakzeptabel und muss verhindert werden. Weshalb? Weil wir seit Jahren wissen, dass die Ziele der Agenda 2030, welchen sich auch die Schweiz verpflichtet hat, nur erreicht werden können, wenn die nötigen Mittel zur Verfügung stehen. Gleichzeitig sind in den letzten Jahren auch die humanitären Bedürfnisse weltweit stark angestiegen. Das Amt der Vereinten Nationen für die Koordinierung humanitärer Hilfe (OCHA) stellt seit 2015 eine Zunahme um 250% der Zahl der hilfebedürftigen Menschen fest. Noch vor der Eskalation in der Ukraine wurde so für 2022 weltweit mit 274 Millionen Menschen gerechnet, die auf humanitäre Hilfeleistungen in der Höhe von insgesamt 41 Milliarden Dollar angewiesen sind.
Diese Verpflichtungen und Bedürfnisse haben ein menschliches Gesicht. Es geht darum der enormen Anzahl Menschen zu helfen, die weltweit wegen Konflikten, Epidemien oder Naturkatastrophen ihr Zuhause verlassen müssen oder ihren Lebensunterhalt verlieren.
Diese Menschen haben keinen Zugang zur Schulbildung, zur Gesundheitsversorgung, zu landwirtschaftlich nutzbarem Land, zum Arbeitsmarkt und anderen grundlegenden Dienstleistungen und Rechten. Dazu braucht es bewährte und neue Finanzierungsquellen, um sowohl Nothilfe zu leisten als auch die Grundursachen von Ungleichheiten, Armut, Konflikten und Ungerechtigkeiten erfolgreich zu bekämpfen. Wenn wir der IZA die Mittel kürzen, kehren wir diesem Engagement der Schweiz und der Staatengemeinschaft den Rücken zu und verschliessen die Augen vor den Ungerechtigkeiten unserer Welt.
Was kann den Forderungen nach Einsparungen bei der IZA entgegengehalten werden? Zum einen die moralische Verpflichtung der Schweiz, sich für nachhaltige Entwicklung und humanitäres Engagement einzusetzen. Zum anderen sollte die gängige Praxis, die Kosten der Aufnahme der Geflüchteten in der Schweiz als IZA zu verrechnen, angefochten werden. Dies gilt auch für die Aufnahme der geflüchteten Ukrainer:innen im Schutzstatus S.
Asylkosten als Entwicklungsgelder anzurechnen ist reine Symptombekämpfung. Dies ändert nichts an den steigenden Ungleichheiten und den globalen Ungerechtigkeiten.
Um deren Wurzeln wirksam anzugehen, braucht es eben gerade die IZA, die HEKS und andere Akteure leisten. Die Schweiz sollte sich auch daran erinnern, dass sie den Bedarf an mehr Mitteln für die IZA erkannt hat und mehrfach international versprochen hat diese auf 0,7% unseres Bruttonationaleinkommens zu erhöhen. Das Parlament hat 2011 den Bundesrat beauftragt, die tatsächlich tiefere Quote wenigstens auf 0,5% zu erhöhen. Dieses Ziel wurde bis heute nicht erreicht. Die Schweiz steht in der Kritik, nicht genügend zum Erreichen der international vereinbarten Entwicklungsziele und zur benötigten humanitären Hilfe zu leisten.
Im europäischen Vergleich ist die Verschuldungsquote der Schweiz gering und wenn irgendwo der Rotstift angesetzt werden soll, dann sollte dies nicht bei der IZA sein.