Neue Gesetze und Finanzprodukte erleichtern Landgrabbing in Brasilien
Illegal angeeignetes Land als Pfand
Am Anfang ging es bei diesen Sicherheiten um das gesamte Unternehmensvermögen. Aber seit 2020, dank dem sogenannten AgroLaw der Bolsonaro Regierung (Gesetz 13.986), wurde es für Unternehmen möglich, den Investoren neu auch Land und zukünftige Ernten als Sicherheiten zu geben, abgespalten vom Rest des Unternehmens. Besonders heikel: die Rechte an besagtem Land werden in diesem Prozess nicht überprüft. So ist es möglich, dass Land als Sicherheit hinterlegt wird, das illegal angeeignet wurde oder auf dem Menschen leben und wirtschaften. Im Fall einer Zahlungsunfähigkeit des Unternehmens würde das Land an den Investor übergehen und die Menschen auf diesem Land sähen sich plötzlich einem internationalen Investor gegenüber.
Das 2021 verabschiedete Fiagrogesetz (Gesetz 14.130), ein Gesetz für CRAs in landwirtschaftlich-industriellen Produktionsketten, ging nochmal einen Schritt weiter. Danach sind Investitionen in brasilianisches Farmland für Investoren auf der ganzen Welt – ohne ein lokales Konto und unabhängig von der volatilen brasilianischen Währung – barrierefrei möglich. Zusätzlich wurden Restriktionen aufgehoben bezüglich Landeigentum von ausländischen Personen und Firmen. Wenn dieses Finanzinstrument also in Zukunft gross angewendet wird und es in der brasilianischen Agrarindustrie eine Krise geben sollte, dann gäbe das eine grosse Verschiebung von Land hin zu internationalen Investoren.
Die Schweizer UBS mischt mit
Eine von der Gesellschaft für bedrohte Völker am 25. September 2022 veröffentlichte Recherche zeigt, wie auch die Schweizer UBS in diesem Geschäft tätig ist (die Sonntagszeitung berichtete). HEKS hat die Recherche, die zu grossen Teil vom International Center for Climate Crime Analysis durchgeführt wurde, unterstützt. Landgrabbing ist ein wichtiges Thema für HEKS und so ist es zentral zu verstehen und aufzuzeigen, wie Landgrabbing durch Gesetzesänderungen ermöglicht und durch überkomplexe Finanzprodukte verschleiert wird. Auf diesem Weg können letztlich die Eigentumsverhältnisse von Ländereien unbemerkt von der Öffentlichkeit immer leichter verschoben werden – jeweils dahin, wo es am meisten Profit für Investoren gibt und immer weiter weg von den Menschen, die auf dem Land arbeiten und davon leben.
Für grosse Konzerne gelten keine zwingenden Regeln für Umweltstandards und Menschenrechte.
CRAs werden regelmässig als grüne Investitionen in nachhaltige Landwirtschaft angepriesen. Theoretisch bieten sie eine einfache Möglichkeit für kleinere Bauernbetriebe an Kapital zu kommen und dieses nachhaltig einzusetzen. Nachhaltigkeitsstandards gibt es für CRAs aber nicht. Und in der Realität machen bis jetzt vor allem grosse Konzerne von CRAs Gebrauch, weil sie die nötigen Sicherheiten bieten können – sei es der Pestizidkonzern Syngenta oder der Rindfleisch-Gigant Marfrig. Nach wie vor gelten für Grosskonzerne keine zwingenden Regeln, an welche Umweltstandards und Menschenrechte sie sich halten müssen. Unterzeichnen Sie die Petition an Frau Keller-Sutter, damit sich das ändert.
Landgrabbing hat eine lange Tradition in Brasilien. Die Realität vor Ort ist oft brutal und zerstörerisch. Die schillernde Bankenwelt und ihre Investmentprodukte werden nur selten damit in Verbindung gebracht. Umso wichtiger ist es aufzuzeigen, dass sich auch hinter angeblich nachhaltigen Gesetzen und Finanzprodukten neue Möglichkeiten für Landgrabbing verstecken können.