Wir leben in einem der reichsten Länder der Welt. Trotzdem sind auch in der Schweiz immer mehr Menschen von Armut betroffen – derzeit fast dreiviertel Millionen. Die Ursachen dafür sind in ungerechten strukturellen Rahmenbedingungen zu verorten und müssen dort auch angegangen werden. Stattdessen werden sie häufig mit falschen Mitteln bekämpft. Seit Jahren beobachten wir einen zunehmend restriktiven Diskurs in Bezug auf die Sozialhilfe, der zu einem Leistungsabbau führte. Zielscheibe von diesen Kürzungen sind häufig Menschen ohne Schweizer Pass. Beziehen sie Sozialhilfe, stellt dies ein Risiko für ihren Aufenthaltsstatus dar. Viele verzichten aus Angst auf die finanzielle Unterstützung, obwohl sie in einer Notlage sind und ein Recht darauf hätten. Diese Politik schadet den Armutsbetroffenen, anstatt die Armut zu bekämpfen. Solche politischen Tendenzen sind nicht nur ethisch fragwürdig, sondern machen auch wirtschaftlich wenig Sinn.
Bestimmte Personen sind in der Schweiz sogar von der regulären Sozialhilfe ausgeschlossen: Menschen mit vorläufiger Aufnahmebewilligung und ukrainische Geflüchtete, die wegen des Krieges in ihrem Herkunftsland Sicherheit in der Schweiz suchen mussten. Diese Menschen erhalten Unterstützungsleistungen, die um einiges tiefer sein können als die reguläre Sozialhilfe. Im Kanton Zürich zum Bespiel sind diese je nach Gemeinde 30 bis 70 Prozent tiefer als der von der Schweizerischen Konferenz für Sozialhilfe (SKOS) festgelegte Grundbedarf für den Lebensunterhalt. Das reicht nicht zum Leben. Häufig führt diese schwierige finanzielle Situation zu sozialer Ausgrenzung und Isolation. Sie hindert Menschen daran, an der Gesellschaft vollwertig teilzuhaben und ihr Leben selbstbestimmt zu gestalten.
Besonders prekär ist die Lage für die sogenannten Sans-Papiers. Diese Menschen leben in der Schweiz irregulär, und arbeiten zu tiefsten Löhnen und unter schwierigsten Bedingungen. Es sind diese Personen, die unsere Wohnungen putzen, unsere Häuser bauen und unsere Kinder hüten. Also Menschen, die auch dafür sorgen, dass unsere Gesellschaft funktionieren kann, die jedoch in keinen offiziellen Statistiken existieren. Sie sind auf sich allein gestellt. Besonders deutlich war das während Pandemie, als das Einkommen vieler über Nacht einbrach. Da Sans-Papiers keinen gesicherten Zugang zu staatlicher Hilfe hatten, wussten viele nicht, wie sie das Notwendigste wie Miete oder Essen zahlen würden. Auch der Zugang zur Justiz wird den Sans-Papiers erschwert, da sie vor Gericht riskieren denunziert und ausgewiesen zu werden.
Die Menschen, über die ich hier schreibe, haben nur wenig Handlungsoptionen. Häufig können sie sich nicht wehren, werden nicht gehört und sind unsichtbar. Aufgrund ihres Aufenthaltsstatus werden sie an den Rand der Gesellschaft gedrängt – wirtschaftlich, politisch, sozial.