Ein Stück Erde verbindet
Eine symbolische Erde – gekauft in der Migros -
als Erinnerung an das Land, das sie verlassen hatte.
Ich stamme aus einer einfachen Familie aus Preshevë, einer albanischen Stadt in Serbien, und wurde 1990 in Lausanne geboren. Obwohl sie Sans-Papiers waren, hatten meine Eltern den Mut, angesichts der sich verschlechternden Situation im ehemaligen Jugoslawien in der Schweiz zu bleiben. Wir lebten fast 13 Jahre lang in der Angst, wegen unserer Illegalität abgeschoben zu werden. Dennoch hatte ich das Glück, in der Schweiz eine Schulausbildung zu erhalten. Ich erinnere mich an einen Alltag, der von Furcht und Isolation geprägt war, ohne zu wissen, was der morgige Tag bringen würde. Wir lebten von einem Tag zum anderen.
Für meine Mutter waren die Töpfe, die sie auf dem Balkon bepflanzte, viel mehr als ein bisschen Abwechslung, sie waren eine lebenswichtige Verbindung zu ihrer Heimat. Eine symbolische Erde – gekauft in der Migros - als Erinnerung an das Land, das sie verlassen hatte.
Wir haben ein Stück Erde in der Schweiz und diese Erde
ist eine Verbindung zu unserer Heimat.
Bei meinen ersten Arbeiten für «HEKS Neue Gärten» bin ich bei der Zusammenstellung der Daten des Vorjahres auf ein prägnantes Zitat einer Projektteilnehmerin aus dem Kanton Waadt gestossen: «Wir haben ein Stück Erde in der Schweiz und diese Erde ist wie eine Verbindung zu unserer Heimat. Es ist wichtig, dass wir einen Platz in der Schweiz haben. Viel wichtiger als die Ernten!»
Diese Aussage hat mich auf den Balkon meiner Mutter zurückgebracht und mich die tiefe Bedeutung dieser «Erde» begreifen lassen. Sie stellte eine Verbindung zur Heimat dar, ermöglichte eine Form des Ausdrucks und vor allem des Austauschs mit der Familie und den Nachbarn. Bevor ich mich in diesem Projekt engagierte, wusste ich natürlich, dass das Gärtnern ein Vorwand war, um eine bessere soziale Integration von Migrant:innen in ihrem lokalen Umfeld zu fördern. Das habe ich meinem persönlichen Umfeld so erklärt.
Das Projekt «Neue Gärten» bietet einen Mikrokosmos für die Integration mithilfe der Gartenarbeit, indem Tandems gebildet werden zwischen Personen mit Migrationshintergrund, die erst seit Kurzem hier sind, und Bewohner:innen der jeweiligen Ortschaft. Diese Duos bekommen ein Jahr lang eine Gartenparzelle zugewiesen und ernten die Früchte (und das Gemüse) ihrer harten Arbeit. Anhand von Begegnungen und Workshops zu Themen, die über das reine Gärtnern hinausgehen, bietet dieses Projekt eine konkrete Möglichkeit, die soziale Inklusion von Migrant:innen in ihre lokale Gemeinschaft zu verbessern. Das Projekt wird von zwei Mitarbeiterinnen begleitet, die sich die neun Standorte, die wir in der Romandie betreuen, aufteilen. Sie stellen die ersten Kontakte her und führen an jedem Standort einmal pro Monat einen Workshop durch, der es den Teilnehmenden ermöglicht, je nach den geäusserten Bedürfnissen weiter begleitet oder informiert zu werden.
Der Garten ist eine gemeinsame Basis,
die es erlaubt, auf Augenhöhe zu sein.
Nach fast einem Jahr Erfahrung mit diesem Projekt sehe ich, welche Bedeutung diese «Erde» für die Teilnehmenden hat. Nie wäre es ohne diese «geteilte Erde» zu solchen Begegnungen gekommen. Französisch sprechen wird zur Notwendigkeit, um sich zu verständigen und Ratschläge auszutauschen. Der interkulturelle Austausch schafft auch neues Know-how, und zwar in beiden Richtungen! Der Garten ist kein Vorwand mehr, sondern eine gemeinsame Basis, auf der man sich auf Augenhöhe begegnet. Das macht das Projekt so kraftvoll und stimmig hinsichtlich unserer Vorstellung von sozialer Inklusion.
Die «Neuen Gärten» überwinden kulturelle und sprachliche Barrieren, ermöglichen es Wurzeln zu schlagen und zu gedeihen. Die Ernte wird zu einem Symbol geteilten Stolzes, zu einer lebendigen Erinnerung an die Bedeutung der Erde und der Gemeinschaft. Diese Gärten bieten weit mehr als eine Ernte, sie kultivieren dauerhafte Beziehungen und fördern eine authentische soziale Inklusion.