Hunger: was tun?
Nur: Warum ist es noch immer nicht gelöst? Wenn doch schon heute genug produziert wird, um alle Menschen ausreichend zu ernähren?
Gleichzeitig Informationen und Widersprüche: Wie damit umgehen?
Hunger wird endlich zu dem gesellschaftspolitischen Thema, das uns alle angeht.
Am Schluss lande ich an einem Tisch voller Kressebeete. Der Schauspieler, ganz offensichtlich stellt er einen Vertreter von Syngenta dar, erklärt uns die Unverzichtbarkeit von Pestiziden: «Entweder ihre Kinder gehen zur Schule, oder sie jäten Unkraut.» Er erklärt auch, warum es unproblematisch sei, in der Schweiz und Europa verbotene Pestizide an Länder wie z.B. Brasilien zu liefern. Schliesslich hätten die Landwirte dort andere Bedürfnisse. Unter korrekter Anwendung der Schutzmassnahmen sei das auch kein Problem. Und dann wird es konkret: Eine Zuschauerin wird gebeten, sich einen Schutzanzug, Stiefel, Maske und Schutzbrille anzuziehen. Sie erhält genaue Vorschriften, wie sie das zu tun habe, um dann, sicher vor Vergiftungen durch Kontakt mit dem Pestizid, die Kresse zu besprühen. Wir fühlen alle mit ihr, wie heiss es in dem Anzug sein muss (der übrigens nur einmal anwendbar ist und 27 Euro kostet). Spätestens beim sicheren Ausziehen des Anzugs, Waschen der Stiefel und Handschuhe wird allen rund um den Tisch klar, dass diese Vorsichtsmassnahme in einem tropischen Land mit schlechtem Zugang zu Wasser von armen Bäuerinnen und Bauern nicht einzuhalten ist. Wir erfahren, dass Syngenta seit Jahren über die Vergiftungen und Krankheiten Bescheid weiss. Doch die fraglichen Pestizide sind schlicht zu profitabel, um sie vom Markt zu nehmen.
Wissen wir am Ende des Abends, wie «das grösste lösbare Problem der Welt» zu lösen ist? Ja und Nein. Denn wir haben an den Stationen und anhand der Videos erfahren, wie ökologisch und gerecht Lebensmittel produziert werden können. Wir haben aber auch erfahren, wie die wirtschaftlichen Strukturen und Profitinteressen echten Veränderungen in unserer Art, Lebensmittel zu produzieren, zu verarbeiten und zu konsumieren, immer wieder machtvoll im Wege stehen.
Ich verlasse das Theater dennoch in Hochstimmung. Denn es ist ungeheuer wertvoll, dass das Thema Hunger an solch prominenten Orten wie städtischen Theaterbühnen behandelt wird. So kann es endlich zu dem gesellschaftspolitischen Thema werden, das uns alle angeht. Das «grösste lösbare Problem der Welt» müssen wir gemeinsam lösen.
Das Stück dauert ca. 2 Stunden und wird noch bis Ende Dezember in den Vidmarhallen der Bühnen Bern aufgeführt. Spieldaten und Tickets finden Sie hier.