Electronics Watch baut auf Vertrauen
«Im Frühjahr 2020 wurden in Batam, Indonesien, auf einen Schlag 13’000 Elektronik-Arbeiterinnen entlassen, als die Fabriken wegen der Pandemie dichtmachten. Viele von ihnen haben die gesetzlich vorgeschriebene Abfindung nicht erhalten. Andere machten weiter, dabei wurden aber Covid-Massnahmen ignoriert, Arbeiterinnen erhielten nur eine einzige Gesichtsmaske pro Monat, und viele wurden krank», berichtet Alfian Al-Ayubby Pelu von LIPS, einer lokalen Partnerorganisation der Monitoring-Organisation Electronics Watch.
Die öffentliche Hand in der Schweiz kann dazu beitragen, solche Situationen zu verhindern. Den Beschaffungsstellen bieten sich dazu drei konkrete Hebel an, nämlich
- die global vereinbarten Nachhaltigkeitsziele der Agenda 2030;
- das revidierte Bundesgesetz über das öffentliche Beschaffungswesen (BöB) in der Schweiz
- und Unterstützung durch Initiativen wie Electronics Watch.
Gesunde und existenzsichernde Arbeitsbedingungen
Die Agenda 2030 hält fest, dass die öffentliche Beschaffung nachhaltig und im Einklang mit entsprechenden nationalen Politiken und Prioritäten sein soll. 2019 hat das Parlament das revidierte Bundesgesetz über das öffentliche Beschaffungswesen (BöB) verabschiedet. Brot für alle hatte sich als Teil der «NGO-Koalition BöB» dafür eingesetzt, dass nebst der ökonomischen und ökologischen auch die soziale Nachhaltigkeit im neuen Gesetz verankert wird. Mit Erfolg: Das neue BöB verlangt als Mindestanforderung die Einhaltung der Kernübereinkommen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO). Diese betreffen etwa die Abschaffung von Kinderarbeit, die Beseitigung von Zwangsarbeit und Diskriminierung sowie die Vereinigungsfreiheit und das Recht der Angestellten auf Kollektivverhandlungen. Zudem kann neu die Einhaltung weiterer wesentlicher internationaler Arbeitsstandards eingefordert werden. Dazu zählen etwa die Verhinderung exzessiver Arbeitszeiten, formelle Arbeitsbeziehungen oder die Zahlung von existenzsichernden Löhnen. Auch die Garantie von Sicherheit und Gesundheit am Arbeitsplatz ist zentral. Damit hätten etwa die Folgen der unzureichenden Pandemievorsorge in den Elektronikfabriken in Indonesien verhindert werden können.
Electronics Watch als Partner
Electronics Watch ist eine unabhängige Organisation mit Sitz in Amsterdam. Sie setzt sich für faire Arbeitsbedingungen ein, beispielsweise bei der Herstellung von ICT-Hardware und medizinisch-elektronischen Geräten. Ihr innovativer Ansatz beruht darauf, die vereinte Kaufkraft öffentlicher Beschaffungsstellen über deren Mitgliedschaft bei Electronics Watch für Verbesserungen zu nutzen. Ein Ansatz, der überzeugt: Inzwischen zählen Hunderte von europäischen Städten, Universitäten und anderen Beschaffungsstellen zu den Mitgliedern von Electronics Watch. In der Schweiz sind es allerdings erst wenige: Das Westschweizer Einkaufskonsortium PAIR ist seit 2018 dabei, die Zürcher Hochschule der Künste seit 2020. Indem sie die von Electronics Watch speziell definierten Vertragsbedingungen bei der Vergabe berücksichtigen, ermöglichen sie die Überprüfung der vereinbarten Bedingungen vor Ort.
Der grosse Vorteil einer Mitgliedschaft bei Electronics Watch: Die Organisation verfügt weltweit über lokale Partnerorganisationen. Diese suchen – mit dem Nachhaltigkeitsanspruch der internationalen Kundschaft als Rückendeckung – vor Ort das Gespräch mit Unternehmen und verhelfen Arbeiterinnen und Arbeitern zu ihrem Recht. Anders als externe Gutachter und Auditorinnen sind die lokalen Monitoring-Organisationen permanent vor Ort und können so eine Vertrauensbeziehung mit den Unternehmen und deren Angestellten aufbauen, die für zuverlässige Informationen sorgt.
Vertrauen vor Ort
Die Monitoring-Ergebnisse werden nicht direkt an die Öffentlichkeit gebracht, sondern dienen zunächst dazu, mit betroffenen Unternehmen eine Lösung zu vereinbaren. Dabei trägt massgeblich zum Erfolg bei, dass die lokalen Monitoring-Partnerinnen mit der Sprache und den kulturellen Gegebenheiten vor Ort vertraut sind. Electronics Watch macht dabei nicht nur Momentaufnahmen, sondern bleibt dran und sorgt nachhaltig für Verbesserungen. Davon konnten bereits Tausende von Wanderarbeiterinnen und -arbeitern bei Zulieferfirmen in Asien und Osteuropa profitieren.
Hinweis: Eine ausführlichere Version dieses Textes wurde in der Fachzeitschrift «Thema Umwelt» 03/21 von PUSCH veröffentlicht.