Blogbeitrag: Die Zivilgesellschaft wehrt sich gegen einschüchternde Klagen
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Blogbeitrag von Cybèle Schneider vom 18.09.2023

Die Zivilgesellschaft wehrt sich gegen einschüchternde Klagen

Die Zivilgesellschaft wehrt sich gegen einschüchternde Klagen

In der Schweiz nehmen Einschüchterungsklagen, sogenannte «SLAPPs» gegen NGOs und Medienschaffende zu. Mit der Gründung des Vereins «Schweizer Allianz gegen SLAPPs» im Sommer dieses Jahres wollen nun über ein Dutzend zivilgesellschaftliche Organisationen auf dieses Thema aufmerksam machen und eine weitere Zunahme solcher Klagen verhindern. 

Der Begriff «SLAPP» kommt aus dem Englischen und steht für «strategic lawsuit against public participation», auf Deutsch «Strategische Klage gegen die öffentliche Beteiligung» und ebenfalls sinnbildlich für slap als Ohrfeige. Solche Klagen oder Klagedrohungen werden häufig von Unternehmen oder Privatpersonen als strategisches Druckmittel gegen NGOs und Medienschaffende eingesetzt, um diese in ihrer faktenbasierten Recherche, beispielsweise zu menschenrechtsverletzenden oder umweltschädlichen Unternehmenstätigkeiten, zu schwächen. Das Ziel solcher Klagen oder Klagedrohungen ist es, öffentliche Kritik einzudämmen, NGOs einzuschüchtern und sie in ihrer Berichterstattung zu stören. Dieses Phänomen reiht sich ein in einen breiteren Trend des für die Zivilgesellschaft kleiner werdenden Raumes – sogenannter shrinking space. Es geht bei SLAPP-Klagen nicht unbedingt darum, vor Gericht zu gewinnen, sondern darum, die Beklagten durch hohe Kosten und langwierige Gerichtsverfahren, dazu zu bringen, ihre unerwünschten Aktivitäten «freiwillig» einzustellen. 

Wie eine Umfrage von HEKS bei elf NGOs aufzeigt, haben solche SLAPPs in den letzten Jahren deutlich zugenommen. Während zwischen 2000 und 2010 nur zwei Klagedrohungen registriert wurden, sahen sich die befragten NGOs seit 2010 mit 17 solchen juristischen Einschüchterungsversuchen konfrontiert. Seit 2018 wurden zudem rund ein Dutzend Klagen eingereicht, wovon mehrere noch dieses Jahr vor Gericht verhandelt werden.

Was will die «Schweizer Allianz gegen SLAPPs»?

Rund ein Dutzend Organisationen, darunter auch HEKS haben im Sommer dieses Jahres den Verein «Schweizer Allianz gegen SLAPPs» gegründet, mit dem Ziel die Öffentlichkeit für SLAPPs zu sensibilisieren, über aktuelle SLAPP-Fälle zu berichten, sich für eine bessere Anti-SLAPPs-Gesetzgebung einzusetzen und SLAPP-Betroffene im Notfall mit einem Unterstützungsfonds unter die Arme zu greifen. Der Verein möchte somit die Grundrechte der Meinungsfreiheit und der Teilnahme an der öffentlichen Diskussion schützen und fördern. Denn die Zivilgesellschaft lässt sich nicht den Mund verbieten, vor allem nicht, wenn es um faktenbasierte Recherchen geht, die von öffentlichem Interesse sind.

 

Ein symbolisches Regenwaldtribunal

Aktuell ist der «Bruno Manser Fonds» (BMF) von einer solchen SLAPP-Klage betroffen. Die Basler NGO wurde seit August 2018 zweimal zivil- und einmal strafrechtlich verklagt, nachdem sie über Korruptionsvorwürfe im Tropenholzhandel in Sarawak (Malaysia) berichtet hatte. Aktuell ist noch eine zivilrechtliche Klage hängig, bei der u.a. die Tochter des Gouverneurs von Sarawak behauptet, dass die mutmasslichen Korruptions- und Geldwäschereivorwürfe aus den Berichten des BMF persönlichkeitsverletzend seien. Während das Basler Zivilgericht darüber entscheiden wird, warten die Indigenen von Sarawak nach vier Jahrzehnten der Abholzung ihres Regenwaldes noch immer auf eine Wiedergutmachung. Vor diesem Hintergrund organisierte der «Bruno Manser Fonds» das «Regenwaldtribunal», ein politisches Theater mit Präsidium, Untersuchungsleitung, Zeugenbefragungen und einer hochkarätigen Jury, um die Geschehnisse aufzuarbeiten und in einen grösseren Kontext zu setzen. Es wurden Fragen diskutiert, wie: Wer ist für diese Umweltkatastrophe verantwortlich? Was sind die Folgen für Mensch, Natur, und Klima? Wie kann diese Abholzung wiedergutgemacht werden? Mit in der Jury sass Nina Burri, HEKS-Fachperson für Wirtschaft und Menschenrechte, welche das Tribunal mit den Worten schloss: «Die Landrechte müssen den Indigenen zurückgegeben werden, denn sie sind die besten Hüter:innen des Regenwaldes.»

Während diese Menschen ihr Ökosystem, ihr Land und ihre Natur verloren haben, und bis heute keine Wiedergutmachung erhalten haben, werden in der Schweiz NGOs mit rechtlichen Verfahren und hohen Kosten eingeschüchtert, nur weil sie die Geschichten dieser Menschen erzählen.

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