Agraroekologie
Kristin Bethge
Blogbeitrag von Michel Egger vom 10.03.2023

Wieder mit der Natur in Einklang kommen

Wieder mit der Natur in Einklang kommen

In ihrem Kern ruft die Agrarökologie zu einer Veränderung der «Vorstellungswelt» auf, um der Erde ihre Seele zurückzugeben und dem Menschen seinen Platz in der Natur.

Die Agrarökologie ist nicht nur eine landwirtschaftliche Produktionsweise ohne chemische Hilfsmittel oder eine soziale Bewegung, die kurze, solidarische und gerechte Kreisläufe fördert. Für einige der Akteur:innen beinhaltet sie als Schlüsselbeitrag zum ökologischen und sozialen Wandel auch andere Formen der Sensibilität und eine tiefe Verbindung mit der Natur. Wie in einem kürzlich erschienenen Buch über «Wissen und Glauben in alternativen Landwirtschaften¹» zu lesen ist, verbinden diese «auf untrennbare Weise das Sensible und das Materielle, den Pragmatismus und das Spirituelle». Diese Ansätze, Himmel und Erde zu vereinigen, sind in den Kulturen des Südens noch sehr lebendig und weniger von der für den Westen typischen Entzauberung der Welt geprägt.

 
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Michel Maxime Egger
Michel Maxime Egger ist Ökotheologe und Gründer des «Atelier für den inneren Wandel» von HEKS und Fastenaktion.
 

Alternative Landwirtschaften verbinden auf untrennbare Weise das Sensible und das Materielle, den Pragmatismus und das Spirituelle.

Die Heiligkeit des Lebendigen

Damit berührt man die inneren Dimensionen des agrarökologischen Wandels, die insbesondere von Pionieren wie Pierre Rabhi hervorgehoben wurden. Sie lassen sich in mehrere Schwerpunkte unterteilen. Zuerst braucht es eine Veränderung der sogenannten «Vorstellungswelt». Für den Ökologen und Pazifisten Satish Kumar, der dem «Atelier für den inneren Wandel» nahesteht, ist «die Erde nicht nur ein Ressourcenlager, das uns zur Verfügung steht, sondern die Quelle des Lebens». Sie ist ein nährender Organismus mit einer Seele. Damit kehren wir zurück zur grossen Tradition der «Pachamama», der heiligen Mutter Erde, die für die indigenen Völker Lateinamerikas von grosser Bedeutung ist.

Für die indische Aktivistin Vandana Shiva, die sich für das Recht auf Nahrung und den Erhalt der Biodiversität einsetzt, ist das Wiederfinden der Heiligkeit des Lebendigen heute «entscheidend, um das Verschwinden der Ökosysteme zu stoppen», «die Erde zu respektieren» und, allgemeiner, «den Krieg gegen das Klima zu beenden». Dies gilt insbesondere für das Saatgut, die «erhabene Gabe des Lebendigen, das gleichzeitig Leben produziert und Nahrungsquelle ist».

Die Erde ist nicht nur ein Ressourcenlager, das uns zur Verfügung steht, sondern die Quelle des Lebens.

Gegenseitige Abhängigkeit

Die Agrarökologie fordert den Menschen zudem auf, sich nicht mehr getrennt vom Rest der Natur zu betrachten, und seine daraus resultierende Haltung der Herrschaft und Ausbeutung aufzugeben. Im Wort «Human» steckt das Wort «Humus»: die Erde, aus der wir gemäss den Ökopsychologen gemacht sind. Wir sind Teil des Lebendigen, das mit all seinem Reichtum zu unserem Wesen gehört. Wenn wir den Boden bearbeiten, erlangen wir ein tiefes Bewusstsein über die gegenseitige Abhängigkeit mit den Elementen und anderen Arten. Wir erfahren dadurch eine Zugehörigkeit zu einer Gemeinschaft, die grösser ist als die der Menschheit, und öffnen uns für das heilige Mysterium dessen, was «grösser ist, als man selbst».

Wenn man sich ernährt, knüpft man eine Verbindung

Aus dieser Perspektive wird das Praktizieren der Agrarökologie zu einer Kunst, sich um das Lebendige zu kümmern und «in Harmonie mit Mutter Erde zu leben» − wie es die Bewegung La Via Campesina versteht. Wenn man sich ernährt, befriedigt man nicht nur Bedürfnisse und nimmt Kalorien zu sich, sondern knüpft auch Verbindungen. Dies impliziert, dass die Sorge um das Gemeinwohl und die Erhaltung der Gemeingüter an die Stelle des Strebens nach Profit, Rendite und der Verteidigung von Einzelinteressen treten müssen. Daraus ergibt sich auch eine andere Beziehung zur der Zeit, die sich auf Fruchtbarkeit statt Effizienz konzentriert.

¹ Jean Foyer, Aurélie Choné, Valérie Boisvert, «Les esprits scientifiques», UGA Editions, 2022.

Plakat der Ökumenischen Kampagne 2023
Ökumenische Kampagne
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