Bundesverwaltung verwässert Beschaffungs-Gesetz
Fast zehn Jahre lang hatte sich Brot für alle in der «NGO-Koalition BöB» dafür eingesetzt, dass die Steuergelder der Schweizer Bevölkerung auch im Hinblick auf ökologische und soziale Kriterien verantwortungsvoll eingesetzt werden. Gemeinden, Kantone, der Bund und bundesnahe Unternehmen wie die Post oder die SBB sollten beim Einkauf von Textilien, IT-Geräten, Hygieneprodukten und anderen Gütern nicht mehr nur einseitig auf Kostengünstigkeit setzen, sondern ebenso ökologische und soziale Kriterien berücksichtigen. Nun also würde endlich wahr werden, was wir uns so sehr gewünscht hatten: Dass bei öffentlichen Aufträgen grundlegende Arbeitsrechte und Umweltvorschriften auch in Produktionsländern im globalen Süden und Osten geachtet werden.
Wichtiger Schritt für faire Lieferketten
Das revidierte BöB beendet die bisherige Praxis, Dumpingangebote zu bevorzugen, die auf Kosten der Lebens- und Arbeitsbedingungen jener Menschen gehen, welche die Güter herstellen. Das Parlament hält dazu im revidierten Gesetz fest, dass neben den Kernübereinkommen der internationalen Arbeitsorganisation (ILO) weitere Arbeitsstandards eingefordert werden dürfen. Damit sollen öffentliche Aufträge nur noch an Unternehmen gehen, die ihre Arbeiterinnen und Arbeiter etwa auch vor exzessiven Arbeitszeiten schützen und ihnen einen sicheren Arbeitsplatz und Gesundheitsschutz bieten.
Mit einem Einkaufsvolumen und einer Kaufkraft von insgesamt 40 Milliarden Schweizerfranken pro Jahr kann das öffentliche Beschaffungswesen der Schweiz grossen Einfluss nehmen auf die Bedingungen in den Lieferketten. Und dank ihrer öffentlichen Vorbildfunktion können Beschaffungsstellen gleichzeitig Einkäufe in anderen Bereichen inspirieren.
Inakzeptabler Rückschritt
2020 folgte die Ernüchterung. Wir erfuhren, dass die Bundesverwaltung den entsprechenden Absatz in der Verordnung zur Umsetzung des BöB auf Bundesebene (VöB) klammheimlich – ohne Rücksprache mit dem Parlament – verwässert hatte. Sie hat den Gesetzesartikel dahingehend ergänzt, dass weitere Arbeitsstandards nur dann eingefordert werden dürfen, «wenn die Schweiz sie ratifiziert hat». Dies hat zur Folge, dass wichtige internationale und allgemein anerkannte Branchenstandards etwa zu exzessiven Arbeitszeiten, existenzsichernden Löhnen sowie zu Sicherheit und Gesundheit am Arbeitsplatz aus dem Anforderungskatalog wegfallen.
Das revidierte BöB ist seit dem 1. Januar 2021 in Kraft. Während die Verordnung auf kantonaler und interkantonaler Ebene (IVöB) den fortschrittlichen Wortlaut des BöB direkt übernommen hat, gelten bei der Umsetzung auf nationaler Ebene – das heisst für Beschaffungen durch Bundes- und bundesnahe Institutionen – abgeschwächte Anforderungen. Dies sowie das eigenmächtige Vorgehen der Bundesverwaltung waren etwa für Mitte-Nationalrat Martin Landolt inakzeptabel. Zweimal hat er den Bundesrat daher um Klärung gebeten, zweimal ist er ohne zufriedenstellende Antwort geblieben.
Am 22. Juli berichtete der Beobachter in einem kritischen Beitrag, dass das Staatssekretariat für Wirtschaft SECO die neuen, strengeren Regeln für sozial nachhaltige Beschaffungen nicht umsetzen will. Knapp eine Woche später, am 31. Juli, doppelte der Blick nach und titelte: «Bundesbeamte pfeifen auf Parlamentsentscheid».
Daraufhin will nun die Kommission für Wirtschaft und Abgaben des Nationalrats (WAK-N) Bundesrat und Verwaltung zu einer Aussprache über die VöB einladen. Zusammen mit den übrigen Mitgliedern der «NGO-Koalition BöB» hoffen wir auf einen positiven Ausgang – damit vollumfänglich faire Arbeitsbedingungen in internationalen Lieferketten auch bei der Beschaffung auf Bundesebene endlich das nötige Gewicht erhalten!