«Ich bin eine Frau, die arbeitet.»
Rahel Grunder, die Regisseurin, versucht, das morgendliche Konzert mit dem Tonaufnahmegerät einzufangen, während sich Kamerafrau Christine Munz in Stellung bringt. Denn Oumou Sow und ihr Mann Mamadou sind scho n auf den Beinen. Oumou entfacht gerade ein Feuer und beginnt, Zwiebeln in einem kleinen Mörser zu zerstampfen. Sie bereitet die Füllung für die Baguettes vor, die sie ein paar Stunden später auf dem Viehmarkt von Barkédji verkaufen wird.
Barkédji liegt in der klimatisch zur Sahelzone gehörenden Ferlo-Savanne. Es ist die wasserärmste Region Senegals: 300 Millimeter Niederschlag gibt es hier pro Jahr und das nur in der Regenzeit von Juli bis September. Die Savanne ist dann von grünem Gras bedeckt und die Tiere der hier lebenden Fulbe-Viehzüchter:innen finden Futter und geben viel Milch. Je länger die Regenzeit zurückliegt, umso karger werden die Weiden. Wenn dann gar kein Gras mehr zu finden ist, packen die Fulbe ihr Hab und Gut und ihre Kinder auf einen Eselskarren und ziehen mit ihren Herden bis zum Beginn der nächsten Regenzeit südwärts, auf der Suche nach Weideland und Wasser.
Wir machen es nicht mehr wie früher.
Doch der Klimawandel bringt dieses System zunehmend aus dem Gleichgewicht. Die Regenzeit beginnt im Ferlo jedes Jahr später, und die Niederschläge fallen spärlicher. Die Natur passt sich an: Dornensträucher und invasive Gräser, die die Tiere nicht fressen, breiten sich aus. Bei unseren Dreharbeiten Ende Februar klettert das Thermometer auf 42 Grad. Die Landschaft ist bereits jetzt staubtrocken. Für die Fulbe, die oft hunderte Kühe, aber auch Schafe und Ziegen besitzen, bedeutet das nichts Gutes. Die Herden müssen immer weiter entfernte und grössere Flächen nach Nahrung absuchen. Auch führt der Druck auf die knapper werdenden natürlichen Ressourcen immer häufiger zu Konflikten.
«Wir versuchen, uns an den Klimawandel anzupassen», erzählt uns Oumou Sow im Interview. «Wir machen es nicht mehr wie früher.» Sie und ihr Mann haben sich vor ein paar Jahren entschieden, das nomadisierende Leben aufzugeben. Sie sind sesshaft geworden, auch um die Kinder das ganze Jahr über in die Schule schicken zu können. Doch die Familie muss alternative Einkommensquellen finden, um die immer längere Trockenzeit zu überstehen. Oumou leistet dazu einen wesentlichen Beitrag.
Une femme qui travaille
So stellt sie sich uns im Interview vor: «Ich bin eine Frau, die arbeitet». Wie wahr. Während der zehn Tage, an denen wir sie mit der Kamera begleiten, ist sie immer in Bewegung. Sie bringt ihre Milch in die Molkerei der Frauengruppe von Barkédji, sie verarbeitet wild wachsende Jujube-Beeren zu kleinen Kuchen, macht aus Hibiskus- und Baobab-Saft Glacés, sie erntet in ihrem Garten Gemüse, verkauft ihre Produkte auf dem Markt, sie geht zur Kreditspargruppe und sie geht zu einer Gemeindeversammlung, wo über die Landnutzungskonvention debattiert wird. Selbst am späten Nachmittag, wenn sich die sengende Hitze über Barkédji legt, führt Oumou sorgfältig Buch über ihre Geschäfte, berechnet Einnahmen, Ausgaben und Erspartes. Dies ist umso beeindruckender, wenn man bedenkt, dass Oumou vor ein paar Jahren weder lesen, schreiben noch rechnen konnte, weil sie nie die Schule besuchte, sondern mit zehn Jahren verheiratet wurde.
Die Entwicklung wird nicht von anderen ausgehen.